Interview mit Effektiven Altruismus Mannheim

Interview mit dem Effektiven Altruismus Mannheim
„Wie kam es zu der Entstehung eurer Initiative?“
Der Effektive Altruismus hat seine Wurzeln in Oxford und entwickelte sich seit Mitte der 2000er-Jahre zu einer internationalen Bewegung. An der Universität Mannheim existierte bereits vor der Corona-Pandemie eine Initiative, die jedoch – wie viele andere studentische Gruppen – mit der Zeit inaktiv wurde. 2024 wurde die Gruppe dann wiedergegründet. Ich habe das zusammen mit einigen Freunden initiiert, nachdem ich zufällig in einer Statistikübung auf einen Kommilitonen aufmerksam wurde, der einen Sticker einer globalen EA-Konferenz auf seinem Laptop hatte. Wir kamen ins Gespräch, und die Idee zur Neugründung nahm Gestalt an. Dieser spontane Austausch war der Beginn unserer aktuellen Initiative.
„Welche langfristige Vision verfolgt ihr mit eurer Initiative?“
Unsere langfristige Vision besteht darin, an der Universität ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Ressourcen wie Zeit, Geld und berufliche Entscheidungen unterschiedlich genutzt werden können, um möglichst viel Gutes in der Welt zu bewirken. Dieser Gedanke reicht weit über das Thema Spenden hinaus – es geht auch darum, wie Studierende ihre berufliche Zukunft gestalten. Wir möchten ihnen Perspektiven aufzeigen, wie sie eine erfüllende Karriere finden können, die nicht nur zu ihren Stärken passt, sondern auch einen positiven gesellschaftlichen Einfluss hat. Gleichzeitig wollen wir eine offene, herzliche Community schaffen, in der sich Menschen vernetzen, voneinander lernen und sich in einem wertschätzenden Umfeld wohlfühlen.
Der Kern des Effektiven Altruismus liegt in der bewussten und vergleichenden Analyse von Handlungsmöglichkeiten, um maximale Wirkung zu erzielen. Dabei stehen die systematische Bewertung und Priorisierung von Maßnahmen im Mittelpunkt. Ob es um Spenden geht, die sauberes Wasser bereitstellen, oder um den Kampf gegen Malaria – die Frage, welche Entscheidung den größten langfristigen Nutzen bringt, bestimmt unser Handeln. Unsere Arbeit basiert auf wissenschaftlich fundierten Methoden und dem Wissen von Expertinnen und Experten, um den sozialen und ethischen Impact unserer Entscheidungen möglichst präzise zu messen.
Unsere Initiative verfolgt einen breiten thematischen Ansatz, bei dem die Interessen unserer Mitglieder eine wichtige Rolle spielen. In Meetups werden verschiedene Themen vorgestellt und diskutiert, was eine dynamische und inspirierende Atmosphäre schafft. Dabei ermutigen wir zur kritischen Reflexion und praktischen Umsetzung der Prinzipien des Effektiven Altruismus. Unser Ziel ist es, Studierende zu ermutigen, ihre Ressourcen verantwortungsvoll einzusetzen und gemeinsam Wege zu finden, um die Welt ein Stück besser zu machen.
„Wie finanziert ihr eure Projekte? Gibt es besondere Förderprogramme oder Sponsoren, die euch unterstützen?“
Unsere Projekte finanzieren wir hauptsächlich über das Centre for Effective Altruism. Wir reichen pro Semester Förderanträge für unsere Ideen ein und erhalten auf dieser Basis finanzielle Unterstützung. Bisher wurden unsere Anträge immer genehmigt, dies erfordert einen formalen Bewerbungsprozess, den wir durchlaufen. Diese Mittel ermöglichen es uns, unsere Aktivitäten und Veranstaltungen zu realisieren.
„Wie schafft ihr es, Studierende und andere Interessierte für eure Initiative zu begeistern und langfristig zu binden?“
Wir bieten verschiedene Möglichkeiten an, sich einzubringen: ganz flexibel und je nach persönlichem Interesse. Unsere regelmäßig stattfindenden Meetups, die alle zwei Wochen organisiert werden, sind ein niedrigschwelliges Angebot. Hier können die Teilnehmenden entweder einfach zuhören oder selbst ein Thema vorstellen, das sie interessiert. Wenn es thematisch zum Effektiven Altruismus passt, freuen wir uns immer über neue Impulse und sagen fast immer „Ja“ zu Präsentationen von Mitgliedern. Die Themen sind dabei breit gefächert – von Tierschutz über Klimawandel bis hin zu globaler Gesundheit.
Die Meetups teilen sich grob in zwei Formate: „Talks“ und „Socials“. Während bei den Talks gezielt Input zu einem Thema gegeben und diskutiert wird, bieten die Socials eine lockere Atmosphäre, in der es Snacks gibt und sich alle über aktuelle Erlebnisse, Herausforderungen oder einfach das Studium austauschen können. Es ist eine Gelegenheit, uns besser kennenzulernen, ohne sich gleich mit den komplexeren Inhalten beschäftigen zu müssen. Für alle, die den Einstieg in einer größeren Gruppe zu überwältigend finden, gibt es außerdem die Möglichkeit für One-on-One-Meetings mit einem von uns. In diesen Gesprächen können wir individuell auf Fragen eingehen und mehr darüber erzählen, was Effektiver Altruismus bedeutet, und gemeinsam herausfinden, ob unser Ansatz für die jeweilige Person passt.
„Welche Möglichkeiten bietet ihr euren Mitgliedern, um sich einzubringen und zu wachsen – sowohl persönlich als auch professionell?“
Wir bieten unseren Mitgliedern viele Möglichkeiten, um sich einzubringen und persönlich sowie professionell zu wachsen. Jeder kann eigene Themen vorschlagen, Diskussionen leiten oder an Workshops und speziellen Projekten teilnehmen. Persönlich profitiert man enorm davon, sich mit unterschiedlichen Themen und Perspektiven auseinanderzusetzen. Gespräche mit Expertinnen und Experten, etwa im Bereich Künstliche Intelligenz, erweitern den Horizont – auch wenn es nicht das eigene Spezialgebiet ist. Diese Vielfalt an Meinungen und Ideen schärft das Denkvermögen und stärkt die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge verständlich zu vermitteln, was wiederum Soft Skills und Präsentationsfähigkeiten fördert.
Professionell bieten wir durch die globale Vernetzung der Effektiven-Altruismus-Community zahlreiche Entwicklungschancen. Es gibt Konferenzen, wie die EJX-Veranstaltungen in Berlin, die den Austausch mit erfahrenen Mitgliedern ermöglichen, und eine umfassende Karriereberatung, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist – ob nach dem Abi, im Studium oder mit zehn Jahren Berufserfahrung. Die Beraterinnen und Berater helfen dabei, die besten nächsten Schritte zu finden. Zudem stehen Onlinekurse, Bücher und weitere Ressourcen zur Verfügung, die zusätzliches Wissen vermitteln. So schaffen wir eine Plattform, die inspiriert, vernetzt und langfristige Entwicklungsmöglichkeiten bietet.
„Welchen Einfluss glaubt ihr, hat eure Arbeit auf die Universität und Umgebung?“
Unsere Arbeit schließt an der Universität Mannheim eine Lücke zwischen Initiativen, die sich entweder auf Gutes tun oder auf Karriereförderung konzentrieren. Wir verbinden diese Ansätze, indem wir zeigen, wie man Gutes tun kann – aber auf eine evidenzbasierte, wissenschaftlich fundierte Weise. Damit inspirieren wir Studierende, über ihre beruflichen Möglichkeiten nachzudenken und ihre Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen.
Unser Einfluss zeigt sich zudem in der Vernetzung: Menschen mit ähnlichen Interessen kommen zusammen und tauschen sich aus, was oft zu spannenden Projekten führt. Ein Beispiel ist die Entwicklung einer App in Heidelberg, die politische Polarisierung durch gezielte Diskussionen abbauen soll. Solche Initiativen entstehen organisch und zeigen, wie gemeinsame Werte innovative Lösungen fördern.
„Könnt ihr ein Beispiel für einen Moment nennen, in dem ihr wirklich das Gefühl hattet, einen Unterschied gemacht zu haben?“
Ehrlich gesagt, macht mich allein die Tatsache, dass es uns gibt, besonders stolz. An der Uni Mannheim kann es eine Herausforderung sein, als Initiative einen festen Platz zu finden. Deshalb erfüllt es mich mit Freude, dass Studierende Interesse an uns zeigen, regelmäßig zu unseren Meetups kommen und wir eine Gemeinschaft aufbauen konnten, in der sich Menschen gegenseitig inspirieren und unterstützen.
Ein Moment, der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, war unser erstes Kick-off-Event nach der Neugründung. Es war großartig zu sehen, wie viele Menschen – darunter Freunde, aber auch völlig Unbekannte – zusammenkamen, um mehr über Effektiven Altruismus zu erfahren. Die Vielfalt an Hintergründen und Wissensständen hat uns gezeigt, dass unser Anliegen auf breites Interesse stößt.
Auch auf persönlicher Ebene hat mich die Auseinandersetzung mit neuen Themen motiviert. Ursprünglich wollte ich mich auf Armutsbekämpfung konzentrieren, bis ich herausfand, wie viele etablierte Organisationen bereits daran arbeiten. Gespräche über Pandemieprävention in Entwicklungsländern haben mir dann neue Perspektiven eröffnet – ein Bereich, in dem es noch viel zu tun gibt. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie ich meine Studieninhalte sinnvoll einsetzen kann, um einen echten Unterschied zu machen.
Der größte Einfluss, den wir bisher haben, ist vielleicht, Menschen zum Nachdenken zu bringen: darüber, wie sie Gutes tun und gleichzeitig beruflich erfolgreich sein können. Wir bieten eine Plattform und eine Community für all jene, die dieses Gleichgewicht suchen – das allein ist für mich bereits ein bedeutender Beitrag.
„Was zeichnet die Atmosphäre innerhalb eurer Initiative aus?“
Die Atmosphäre innerhalb unserer Initiative ist geprägt von Offenheit und Fürsorge. Ein Beispiel, das mir in Erinnerung geblieben ist, stammt von einer EA-Konferenz, an der ich teilgenommen habe. Dort gab es ein spezielles Team für mentale Gesundheit, das nicht nur klassische Erste-Hilfe-Maßnahmen abdeckte, sondern auch für Teilnehmende da war, die sich überfordert fühlten oder einfach ein Gespräch brauchten – sei es zu privaten, beruflichen oder universitären Themen. Diese besondere Achtsamkeit für das Wohlbefinden der Teilnehmenden hat mich tief beeindruckt.
Zwar verfügen wir nicht über ein eigenes Betreuungsteam, doch wir versuchen, diese Philosophie in unserer Gruppe zu leben. Wir schaffen eine Umgebung, in der sich jeder willkommen und unterstützt fühlen kann, und fördern eine Kultur des Zuhörens und des respektvollen Austauschs. Das macht für mich die Atmosphäre bei uns besonders.
„Wie können Interessierte am besten Teil eurer Initiative werden?“
Interessierte können ganz einfach Teil unserer Initiative werden, indem sie zu unseren regelmäßigen Meetups kommen, die alle zwei Wochen dienstags um 19 Uhr stattfinden. Alle Informationen dazu gibt es auf unserem Instagram-Account, unserer Website oder per E-Mail. Wer sich unsicher ist oder lieber erstmal ein persönliches Gespräch führen möchte, kann uns gerne eine Nachricht schicken und ein One-on-One-Meeting vereinbaren. Dann treffen wir uns, besprechen die Initiative und schauen, ob es passt.