Europäische Geschichte in slowenischen Archiven
Von 11. bis 16. Mai 2025 fand in Ljubljana, organisiert von Doz. Dr. Mojca Peternel und Prof. Dr. Janez Mlinar, die Erasmus Summer School „Europäische Geschichte in slowenischen Archiven“ statt. Sechs Mannheimer Studierende, Vincent Huber, Alisa Keller, Hannah Le Guillou, Carina Neubauer, Tim Schnatterer und Ann-Kathrin Sochacki, sowie Dr. Anja Thaller, Mitarbeiterin des Lehrstuhls für Geschichte des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, nahmen daran teil. Gemeinsam mit Studierenden der Universitäten Ljubljana, Salzburg und Innsbruck sowie der Humboldt-Universität Berlin hatten wir so nicht nur die Gelegenheit das in der Hauptstadt Sloweniens ansässige Staatsarchiv näher kennenzulernen, sondern erlangten dank zweier Ausflüge nach Koper und Celje Einblicke in die dortigen Provinzialarchive und ebenso in das Institut für Zeitgeschichte in Ljubljana. In den Archiven und wissenschaftlichen Einrichtungen standen neben Führungen auch Vorträge und Workshops auf dem Plan. In Kleingruppen wurde mit unterschiedlichsten Archivalien aus sechs Jahrhunderten gearbeitet. Vor allem das Transkribieren der Quellen stand dabei im Vordergrund, aber auch ihre weitere Auswertung und Interpretation. Abgerundet wurde das Programm durch gemeinsame Stadtbesichtigungen und den Besuch einer Burg.
Die nicht gerade kurze Strecke von Mannheim nach Slowenien wurde von der Mannheimer Gruppe mit je unterschiedlichem Komfort per E-Auto, Fernbus und Flugzeug bewältigt, sodass manche mehr, andere weniger ausgeruht in Ljubljana ankamen. Der Sommerkurs startete mit einem gemeinsamen Abendessen im ältesten Gasthaus der Stadt. Der offizielle Teil begann am darauffolgenden Tag, der von einem Vortrag mit Führung über das slowenische Staatsachiv eingeleitet wurde. Im anschließenden Workshop unter der Leitung von Prof. Dr. Janez Mlinar von der Universität Ljubljana standen Quellen aus dem 14. bis 16. Jahrhundert im Fokus, genauer Herrscher- und Papsturkunden für slowenische Empfänger. Diese zu transkribieren stellte manche vor mehr, andere vor weniger große Herausforderungen. Doch alle waren sehr motiviert, so viel wie möglich zu lernen. Daran schloss sich, nach einer kurzen Mittagspause, eine sehr informative und engagiert vorgetragene Stadtführung durch Ljubljana an, der auch der einsetzende Regen nichts anhaben konnte und uns die Geschichte der Stadt sowie deren Umgestaltung durch den Architekten Jože Plečnik vor Augen führte. Am Abend folgte am Historischen Institut der Philosophischen Fakultät noch ein Vortrag von Prof. Dr. Dušan Mlacović, der sich zunächst der Frage nach den Konnotationen und Grenzen des Balkan-Begriffes widmete und uns dann in die Geschichte der istrischen und dalmatinischen Kommunen im Mittelalter einführte.
Das Ziel des folgenden Tages war die mit ihrer venezianischen Architektur faszinierende Altstadt von Koper, welche, direkt an der Adriaküste gelegen, zusätzlich durch sommerliches Wetter zu verzaubern wusste. Nach einem kurzem Rundgang durch die Stadt und einem kurzen Blick in die in einer ehemaligen Kirche untergebrachten Depots des Provinzialarchivs machte uns Prof. Mlacović mit der Vielen weitestgehend unbekannten Welt des notariellen Schrifttums bekannt. Diese in der mediterranen Welt in großer Zahl überlieferten Quellen sind für verschiedenste Fragestellungen, vor allem auch zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, von großer Bedeutung. Im Archiv von Koper erschlossen wir uns Schritt für Schritt Aufbau und Inhalt der lateinischen Notarsregister mit ihren zahlreichen Abkürzungen, was sich als ziemlich herausfordernd herausstellte. Auf der Rückfahrt nach Ljubljana legten wir bei der Höhlenburg Predjama im Landesinneren einen Stop ein. Vor und in eine Höhle hineingebaut, beeindruckt die in ihren heutigen Formen frühneuzeitliche Anlage nicht nur durch ihren außergewöhnlichen Standort, sondern auch durch ihre Geschichte. Durch das weitläufige Höhlensystem konnte die Burg auch bei Belagerungen konstant versorgt werden. An fast jeder Stelle des Rundgangs hatte der Audioguide kurze und interessante Informationen zu bieten, über Bewohner*innen und ihr Leben auf der Burg genauso wie darüber, dass sich Jackie Chan bei einem Filmdreh in Predjama schwer verletzte.
Der dritte Tag des Sommerkurses begann mit einem Vortrag über den Franziszeischen Kataster als Quelle für die Kulturlandschaftsforschung von Prof. Dr. Kurt Scharr aus Innsbruck, dem sich ein Workshop unter der Leitung von Prof. Dr. Žiga Zwitter von der Universität Ljubljana anschloss. Dabei bearbeiteten die Studierenden in Kleingruppen anhand unterschiedlicher Quellen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert umwelthistorische Fragestellungen, wie den Einfluss von Flussbettbewegungen, die Erschließung von historischen Daten zur Wiesenmahd, die Besteuerung von Wassermühlen und anderes mehr. Die nachmittägliche Führung durch die inmitten der Altstadt von Ljubljana gelegene historische Bibliothek des heute noch aktiven Franziskanerklosters beeindruckte nicht nur durch die architektonische Schönheit des Bibliotheksraumes, sondern auch mit exquisiten, doch leider nur schwer erschließbaren, da ungeordeneten Buchbeständen. Ein kurzer Blick in das ebenfalls noch in Teilen zu erschließende Archiv der Franziskaner rundete den Tag ab.
Am Donnerstag stand erneut ein Ausflug auf dem Programm: Es ging in das nordöstlich gelegene Celje. Sofort fiel die von der k.u.k. Monarchie geprägte Architektur der Stadt ins Auge, die sich sichtlich vom Mittelmeer-Flair Kopers unterscheidet. Das Provinzialarchiv, von außen ein großer, unscheinbarer Kasten, entpuppte sich als modern ausgestattet und in jeder Hinsicht auf dem Stand der Zeit. Eines der Highlights der Führung war das umfangreiche Tagebuch eines Offiziers aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, der seine Einträge mit detaillierten kolorierten Zeichnungen von Menschen, Städten und Landschaften versah und so für die Nachwelt festhielt. Im Anschluss arbeiteten die Studierenden mit verschiedenen deutschsprachigen Quellen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, transkribierten Eheverträge, Eide, Einträge in Bürgerbücher und vieles mehr. Waren manche gleichmäßig und sauber geschrieben, brachten andere selbst so manche*n Dozierende*n ins Schwitzen. Daran schloss sich eine sehr interessante und ausführliche Führung durch Celje an, die viele dem sich daran anschließenden gemeinsamen Restaurantbesuch sehnlich entgegenblicken ließ. Mit Pasta und Schnitzel gestärkt, saßen wir schon wieder im Bus zurück, als der erwartete Wolkenbruch losging.
Der letzte Tag des Workshops fand im Institut für Zeitgeschichte statt und begeisterte durch eine Reihe spannender Vorträge sowie durch ausgezeichnete Bewirtung. An eine kurze Führung durch die Bibliothek mit ihrer Sammlung historischer Schriften schlossen sich Vorträge zu unterschiedlichen Themen an. Vorgestellt wurde dabei beispielsweise eine Datenbank zur Dokumentierung von militärischen und zivilen Opfern des Zweiten Weltkrieges auf slowenischem Boden. Weiterhin ging es um die Digitalisierung und Erschließung von Archivgut, insbesondere von Parlamentsprotokollen oder deutschsprachigen Zeitungen aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie. Ihren offiziellen Ausklang fand die überaus gelungene Summer School bei einem kleinen Empfang an der Philosophischen Fakultät.
Am letzten Abend ließ sich noch einmal das Flair der Ljubljaner Altstadt genießen, das allen in bester Erinnerung bleiben wird. An den Ufern der sich durch die historische Altstadt schlängelnden Ljubljanica laden dutzende Cafés zum Verweilen, der Markt mit seinen zahllosen Ständen zum Flanieren und die über der Stadt thronende mittelalterliche Burg zum Entdecken ein. Bei überwiegend gutem Wetter konnte sich hier die Mannheimer Gruppe von den Aufgaben des Tages erholen und einige Abende gemeinsam ausklingen lassen. So verging diese Woche voll interessanter Einblicke und neuer Erfahrungen wie im Flug. Als Fazit bleibt für uns: Slowenien ist mehr als eine Reise wert!
Vincent Huber, Anja Thaller











