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Wieviel Geld ist genug?

Solidarpakt, Qualitätssicherungsmittel, Hochschulfinanzierungsvertrag, Zukunftsvertrag. Was haben wir nicht schon alles an finanziellen Segen versprechenden Begrifflichkeiten gehört. Im Vordergrund geht es um Qualität, um Studierfähigkeit, um Nachhaltigkeit – und im Hintergrund immer um Geld. Da kann man sich schon mal die Frage stellen: Wieviel Geld ist eigentlich genug?

Die Rektorinnen und Rektoren der baden-württembergischen Universitäten können diese Zahl sehr einfach berechnen und einleuchtend begründen: Ausgehend vom Geld im Jahr 1998 kommen sie zu dem Schluss, dass sie pro Studentin und Student 2018 rund 33 Prozent weniger Geld bekommen haben als damals. Oder umgerechnet eine Finanzierungslücke von 3.544 Euro pro Studi. Um diese Lücke zu schließen, fordern sie einen Sofort-Aufwuchs um 1.000 Euro pro Studi und Jahr.

Die Zahlen sind, bei allem Misstrauen gegenüber Statistiken, sicherlich nicht falsch. Neun Universitäten, darunter vier mit dem Status Exzellenz, können sich ja nicht so gravierend irren, oder? Und die Forderung klingt angesichts der Finanzierungslücke ja sogar bescheiden. Aber sie beantwortet die zentrale Frage nicht wirklich. Wie viel Geld wäre denn notwendig und ausreichend, um die derzeit 172.000 Studierenden an Baden-Württembergs Universitäten ordentlich auszubilden? Waren die Universitäten denn 1998 ausreichend mit Geld ausgestattet? Damalige Stellungnahmen klangen nicht danach. Damals waren die Solidarpakte aktuell, die Universitäten bekamen Planungssicherheit im Tausch gegen Stellenkürzungen.

Seitdem hat sich vieles verändert: Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubte Sonderregeln zur Befristung, die Bologna-Reform etablierte Bachelor, Master und modulare Studiengänge, die den Lehr- und Prüfungsaufwand vervielfachten. Gleichzeitig wurden die Studiengänge sehr stark „verschult“, was die Studierenden unter Zeit- und Leistungsdruck setzte. Und vor allem schafften es die Universitäten und Hochschulen bundesweit, ihre eingeworbenen Drittmittel enorm zu steigern, ohne allerdings immer den notwendigen „Overhead“ bezahlt zu bekommen – also die indirekten Kosten, die beispielsweise durch das Verwaltungspersonal anfallen. Die Politik kürzte faktisch die Grundfinanzierung und vergab die eingesparten Mittel im Wettbewerb als bald gefürchtete „Zweitmittel“, für die es selten eine rechtssichere Begründung für einen befristeten Arbeitsvertrag gab.

Befristungen und kein Ende
Die Folgen sind bekannt. Die Studierenden begannen für ein ausreichend breites Lehrangebot mit „gesicherter Qualität“ zu kämpfen, die Universitäten hatten zu wenig Personal für das grundständige Lehrangebot und wichen deshalb in großem Stil auf Lehraufträge aus. Das vorhandene Personal in den zentralen Bereichen war viel zu wenig, um zusätzlich den enorm gewachsenen Drittmittelbereich zu versorgen. Auf dem Höhepunkt dieser fatalen Entwicklung waren rund 90 Prozent des wissenschaftlichen Personals befristet, und im nicht-wissenschaftlichen Bereich wurde auf Stellen (!) sachgrundlos befristet.

In Baden-Württemberg wurde die Situation mit dem Hochschulfinanzierungsvertrag 2015–2020 etwas entschärft. Die Universität Mannheim konnte 2015/2016 über 80 Stellen aus umgewandelten Qualitätssicherungsmitteln „kaufen“. Wirklich gelöst sind die Probleme aber noch nicht.

Noch ist nichts sicher
In diesen Wochen berät der Landtag Baden-Württemberg den Doppelhaushalt für 2020/2021. Zugesichert wurde seitens der Ministerin im Vorfeld nur Folgendes – konkrete Geldbeträge zu nennen, wäre derzeit rein spekulativ:

  • Im neuen Hochschulfinanzierungsvertrag ab 2021 wird die Grundfinanzierung in den Jahren 2021 bis 2025 jährlich um mindestens 3 Prozent erhöht. Weitere Sonderprogramme werden in die Grundfinanzierung überführt, es können wieder „Stellen gekauft“ werden.
  • Die Mittel vom Bund (Zukunftsvertrag „Studium und Lehre stärken“) werden komplett an die Universitäten und Hochschulen weitergegeben. Ab 2021 sind das 1,88 Milliarden Euro, ab 2024 2,05 Milliarden Euro – pro Jahr. Die Länder erhöhen den Betrag nochmals um die gleiche Summe, die sie vom Bund erhalten. Das Land wird das Geld aber nicht prozentual gleich verteilen, sondern nach einem bestimmten Schlüssel, den es noch festzulegen gilt.

Das Wissenschaftsministerium hält sich zur künftigen Verteilung noch bedeckt. Um entscheiden zu können, ob das Geld ausreichend ist, und ob es verantwortbar ist als Rektor den neuen Hochschulfinanzierungsvertrag zu unterschreiben, muss auch die Frage beantwortet werden „wofür?“. Was leisten die Universitäten für das Geld? Stimmt die Relation Lehrpersonal zur Zahl der Studienplätze? Bleibt genug Zeit für Forschung? Wird unterm Strich Bürokratie auf- oder abgebaut? Sind die Drittmittelgeber fair und bezahlen auch das erforderliche wissenschaftsunterstützende Verwaltungspersonal? Verwenden die Hochschulen die neuen Stellen und Gelder wie zugesagt?

Eine Forderung aus dem Vertrag hat unseres Wissens bisher keine Universität oder Hochschule erfüllt: Nirgends wurde bisher definiert, welche Daueraufgaben in welchem Umfang anfallen und wer sie bisher erledigt. Dabei könnte das eine gute Diskussionsgrundlage bilden, um die Frage zu beantworten, wieviel Finanzmittel und Stellen denn benötigt werden.

Im Oktober haben die baden-württembergischen Rektorinnen und Rektoren im Rahmen der „No Science – No Future“-Kundgebungen festgestellt: „Exzellenz allein reicht nicht!“ Wie wahr!  (AB)

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