Lesen der musikalischen Notenschrift; Übestrategien
Die musikalische Notenschrift bietet strukturierte musikalische Information, die von Musiker*innen gelesen werden kann – und dies bedeutet, dass sich die Musiker*innen ihres Wissens aus dem Langzeitgedächtnis bedienen, um die Information zu verstehen, sie umzusetzen und Erwartungen zu bilden. Ähnlich wie wir beim Lesen von Schrift nicht mühsam jeden Buchstaben lesen müssen, um Wörter zu erkennen, wie wir das als Anfänger*innen getan haben, finden sich in der Notenschrift musikalisch zusammenhängende Informationen, die mit zunehmender Übung auch als solche erkannt werden (beispielsweise Akkorde oder rhythmische Bausteine). Um zu verstehen, wie die musikalischen Informationen erkannt werden, nutzen wir Theorien zum Zusammenspiel von Arbeits- und Langzeitgedächtnis. Wir erforschen die kognitiven Schemata („Chunks“), die beim Lesen eine Rolle spielen.
Dazu arbeiten wir u. a. mit der Musikhochschule Mannheim zusammen und laden Musikstudierende zu Experimenten ein. Beim Lesen der Noten messen wir die Blickbewegungen. Aus den kurzfristigen Gedächtnisleistungen mit unbekannten Stücken und den Blickbewegungen ziehen wir Rückschlüsse, wie die Musik im Gedächtnis bei Musikerinnen und Musikern repräsentiert ist und welches Vorwissen dabei das Erkennen und kurzfristige Behalten beeinflusst.
Uns interessiert aber auch, wie das Notenlesen-Lernen funktioniert und wie Amateur-Musiker*innen Noten lesen und das Gelesene beim Üben umsetzen. Hier gibt es große Unterschiede, wie gelesen wird. Deswegen entwickeln wir auch diagnostische Methoden, um zu messen, wie gut Chunks (z. B. Akkorde und ihre Umkehrungen in der Notenschrift) im Langzeitgedächtnis zugänglich sind und wie sich das beim Üben auswirkt. Wir entwickeln auch Ansätze, wie das Erlernen der musikalischen Notenschrift in gezielten Trainings – mit interaktiven und multimedialen Anwendungen – verbessert werden kann. Und uns interessiert, welche Übemethoden längerfristig zum Behalten von Musikstücken beitragen.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Stefan Münzer, Hatice Dedetas
Dr. Lucas Lörch hat am Lehrstuhl Bildungspsychologie zum Thema Chunking beim Lesen der musikalischen Notenschrift promoviert und wurde dabei von Prof. Stefan Münzer (Universität Mannheim) und Prof. Erkki Huovinen (Royal College of Music in Stockholm, Schweden) betreut.
Ausgewählte wissenschaftliche Publikationen zu dem Thema
Lörch, L. (2022). Chunking in tonal contexts: Information compression during serial recall of visually presented musical notes. Psychology of Music, 50(3), 691–708.
Lörch, L. (2021). The association of eye movements and performance accuracy in a novel sight-reading task. Journal of eye movement research, 14(4), 10-16910. DOI: 10.16910/jemr.14.4.5
Lörch, L., Lemaire, B., & Portrat, S. (2023). A hebbian model to account for musical expertise differences in a working memory task. Cognitive Computation, 15(5), 1620-1639. doi.org/10.1007/s12559-023-10138-3