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Digital gestütztes Lernen: Multimedia

Multimediales Lernen ist Lernen mit relevanten Visualisierungen und Texten, die aufeinander bezogen sind, oft in Form von erklärenden Videos mit Bildern, Animationen und einem Sprechtext. Erklärvideos werden von vielen Lernenden ergänzend zu klassischen Lernmaterialien und zu Unter­richt gesucht und zum Lernen selbstständig genutzt.

Wenn bestimmte Eigenschaften menschlicher Informations­verarbeitung bei Multimedia-Einheiten gut genutzt werden, kann Lernen tatsächlich effizienter und erfolgreicher sein (z. B. Arbeits­gedächtniseigenschaften; synchrone Verarbeitung visueller und sprach­licher Informationen). Ein Vorteil ergibt sich vor allem dann, wenn das Lernen anspruchsvoll ist – es geht also nicht um das Lernen einzelner Fakten, sondern um miteinander stark verknüpfte Informationen, zwischen denen Bezüge und wechselseitige Einflüsse verstanden werden sollen.

Um gute Multimedia-Lerneinheiten zu gestalten, sind Gestaltungs­prinzipien entdeckt oder abgeleitet und empirisch geprüft worden. Die Prinzipien sind mit Eigenschaften menschlichen Lernens und der Funktions­weise des Gedächtnisses auch gut begründet. Dennoch kann man sich die Gestaltung einer guten Multimedia-Instruktion nicht so vorstellen, dass man die Prinzipien rezeptartig anwenden kann. Es sind sehr viele Faktoren gleich­zeitig zu beachten. Insbesondere muss anti­zipiert werden, wie die Lernenden damit tatsächlich umgehen und welche Voraussetzungen sie mitbringen (z. B. räumliche Fähigkeiten, Vorwissen, Lern­strategien). Die folgenden Beispiele zeigen einige der Fragestellungen, die bei uns in diesem Zusammenhang erforscht werden.

Welche Vor- und Nachteile haben Animationen in Erklärvideos? Und wie stehen Eigenschaften von Visualisierungen in Wechsel­wirkung mit räumlichen Fähigkeiten von Lernenden? Animationen könnten beispielsweise niedrige räumliche Fähigkeiten von Lernenden kompensieren. Denn bei niedrigen räumlichen Fähigkeiten können Lernende Abläufe und Prozesse, die in einem Standbild nur angedeutet werden können, nicht erfolgreich mental imaginieren. Auf der anderen Seite kann die imaginierte Vorstellung des „mentalen Animierens“ sehr lernförderlich sein, auch wenn das für Lernende aufwändig erscheint. Es muss also entschieden werden, wann Animationen oder wann Standbilder für welchen Inhalt und für welche Lernenden das Lernen am besten unter­stützen können und wie man anstrengende Lernaktivitäten wie das „mentale Animieren“ bei den Lernenden anregen könnte.

Multimedial präsentierte Inhalte bergen generell die Gefahr, eher oberflächlich verarbeitet zu werden. Bilder werden gern (kurz) angeschaut, aber nicht unbedingt sorgfältig erschlossen und verstanden. Die mündlich übermittelte Sprache eines Erklärvideos scheint einfacher zu verstehen als ein schriftlicher Text, aber Lernende setzen sich nicht vertieft mit den Informationen auseinander. Für den Lernerfolg ist dies aber entscheidend. Dazu müssen Lernenden „Lernaktivität“ investieren – und dazu können sie angeregt werden. Solche Anregungen können darin bestehen, dass sie kleinere Schwierigkeiten „überwinden“ müssen. Oder ihnen werden Lernaufgaben gestellt, in denen sie die Lerninhalte aktiv verarbeiten, beispielsweise durch Schlussfolgerungen oder konzeptuelle Zeichnungen.

Wechsel­wirkungen zwischen Eigenschaften der Lernenden und Gestaltungs­merkmalen der Lernumgebung werden unter dem Stichwort „Aptitude Treatment Interaction“ erforscht. Günstige Eigenschaften von Lernenden (z. B. höhere kognitive Fähigkeiten) können dazu beitragen, dass eine gut gestaltete Lernumgebung optimal genutzt werden kann. (Lernende mit weniger guten Ausgangs­voraussetzungen lernen zwar auch etwas, aber die mit besseren Voraussetzungen lernen mehr und schneller.) Andererseits könnte eine Lernumgebung gerade darauf ausgelegt sein, weniger gute Ausgangs­voraussetzungen bei Lernenden zu kompensieren. (Dann haben Lernende mit ohnehin schon guten Voraussetzungen allerdings weniger davon.) Wenn Lernumgebungen unter Beachtung der Eigenschaften von Lernenden erforscht werden, findet man mehr darüber heraus, unter welchen Bedingungen sie wirken.

Ein anderes Gestaltungs­prinzip besagt, dass jegliche Ablenkung zu vermeiden ist. Wie lässt es sich dann erklären, dass eine erklärende Person, die im Multimedia-Video zu sehen ist, eine lernförderliche Wirkung haben kann – obwohl sie eigentlich sowohl vom erklärten Inhalt als auch von inhaltlich sinnvollen Visualisierungen ablenkt?

Und welche Rolle spielt der Inhalt, der behandelt wird? Ein Gestaltungs­prinzip besagt, dass es lernförderlich sei, wenn sich Lernende persönlich angesprochen fühlen. Dieses Prinzip kann sich aber in das Gegenteil verkehren, wenn es sich um potentiell bedrohliche und emotional aversive Inhalte handelt (z. B. um Informationen zu einer Erkrankung). Ob ein Prinzip wirkt oder nicht, kann also auch vom Inhalt beeinflusst werden, der vermittelt werden soll. Der Einfluss der emotionalen Gestimmtheit auf Lernprozesse liegt ebenfalls in unserem Forschungs­interesse.

Diese Beispiele zeigen, dass Forschung zur Gestaltung multimedialer Lernmaterialien für digital gestütztes Lernen ein sehr relevanter Baustein ist und mit anderen Forschungs­fragen (z. B. Einfluss kognitiver Fähigkeiten, Lese­strategien für Visualisierungen, aktive Lern­strategien, selbstreguliertes Lernen) in Zusammenhang steht.

Ansprech­partner: Prof. Dr. Stefan Münzer, Dr. Benedict Fehringer
Hier beschriebene Fragestellungen wurden maßgeblich von Prof. Dr. Tim Kühl mitgeprägt, der im Zeitraum 2012 – 2021 am Lehr­stuhl Bildungs­psychologie als PostDoc arbeitete und eine Professur für Pädagogische Psychologie an der Universität Hannover innehat.

Ausgewählte wissenschaft­liche Publikationen zu dem Thema

Almeida, L.M.C.G., Münzer, S., & Kühl, T. (2024). More personal, but not better: The personalization effect in learning neutral and aversive health information. Journal of Computer Assisted Learning40(5), 2248-2260. DOI: 10.1111/jcal.13026

Kühl, T., & Münzer, S. (2023). When pictures are not beneficial in multimedia learning: The case of threat-related pictures. Educational Psychology43(2–3), 155–172. DOI: 10.1080/01443410.2023.2185205

Kühl, T., Fehringer, B.C.O.F., & Münzer, S. (2022). Unifying the ability-as-compensator and ability-as-enhancer hypotheses. Educational Psychology Review34(2), 1063-1095. DOI: 10.1007/s10648-021-09650-5

Kühl, T., & Münzer, S. (2021). Learning about a serious disease: When a personalized message is harmful unless you are happy. Journal of Computer Assisted Learning37(5), 1312-1323. DOI: 10.1111/jcal.12571

Kühl, T., & Münzer, S. (2019). The moderating role of additional information when learning with animations compared to static pictures. Instructional Science47(6), 659–677. DOI: 10.1007/s11251-019-09498-x

Kühl, T., Moersdorf, F., Römer, M., & Münzer, S. (2019). Adding emotionality to seductive details—Consequences for learning?. Applied Cognitive Psychology33(1), 48–61. DOI: 10.1002/acp.3477

Kühl, T., Navratil, S. D., & Münzer, S. (2018). Animations and static pictures: the influence of prompting and time of testing. Learning and Instruction58, 201–209. DOI: 10.1016/j.learninstruc.2018.07.006

Münzer, S., Fehringer, B.C.O.F., & Kühl, T. (2018). Specificity of mental trans­formations involved in understanding spatial structures. Learning and Individual Differences, 61, 40–50. DOI: https://doi.org/10.1016/j.lindif.2017.11.004

Münzer, S. (2015). Facilitating recognition of spatial structures through animation and the role of mental rotation ability. Learning and Individual Differences, 38, 76–82.

Münzer, S.(2012). Facilitating spatial perspective taking through animation: Evidence from an aptitude-treatment-interaction. Learning and Individual Differences, 22, 505–510. doi: 10.1016/j.lindif.2012.03.002

Münzer, S., Seufert, T. & Brünken, R. (2009). Learning from multimedia presentations: Facilitation function of animations and spatial abilities. Learning and Individual Differences, 19, 481–485.DOI: 10.1016/j.lindif.2009.05.001