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Gedächtnis und Metagedächtnis

Das Gedächtnis gehört zu den wichtigsten und basalsten Funktionen der menschlichen Kognition: Ohne Gedächtnis gäbe es kein Lernen und kein Wiedererkennen von Personen oder Orten. Obgleich unser Wissen über das Gedächtnis in den letzten 135 Jahren seit Hermann Ebbinghaus‘ (1885) grundlegendem Werk Über das Gedächtnis immens gewachsen ist, gibt es immer noch eine Reihe spannender Fragen für die Forschung.


Was ist Metagedächtnis?

Das Metagedächtnis umfasst unsere Annahmen sowie unser Wissen um die eigenen Gedächtnisprozesse. Das Metagedächtnis ist enorm wichtig im Alltag, da es zur Steuerung rationalen Verhaltens beiträgt: Wenn ich weiß, dass ich dazu neige, beim Einkauf Dinge zu vergessen, dann nutze ich einen Einkaufszettel. Wenn ich mir dagegen gut Gesichter merken kann, dann mag es für mich hilfreich sein, Informationen mit Gesichtern zu verknüpfen etc. In der Metakognitions­forschung untersuchen wir, wie Urteile oder Vorhersagen über die eigene Gedächtnisleistung gebildet werden und auf welchen Informationen sie beruhen. Dabei verbinden wir in einem DFG-Projekt erstmals Metagedächtnisforschung mit einer urteilspsychologischen Perspektive und Methodik (Bröder & Undorf, 2019; Undorf & Bröder, 2020; Undorf, Bröder & Söllner, 2018).


Wie Gedächtnis modellieren?

Gedächtnisurteile setzen sich immer sowohl aus tatsächlich erinnerter Information als auch Rate- oder Urteilsprozessen unter Unsicherheit zusammen. Wenn ich etwas nicht mehr genau erinnere, ist es dann dennoch wahrscheinlich, dass ich es gesehen habe? Die Prozesse selbst sowie deren Zusammensetzung sind zunächst nicht beobachtbar, durch geeignete formale Modelle können sie jedoch einzeln erfasst werden. Dabei stehen sich unterschiedliche Ansätze gegenüber, die entweder kontinuierliche Signale oder diskrete Zustände als Gedächtnisrepräsentationen annehmen. In die wissenschaft­liche Kontroverse um die bessere Modellklasse ist die Arbeits­gruppe aktiv involviert (Bröder & Malejka, 2017; Bröder & Schütz, 2009; Bröder et al., 2013; Kellen et al., 2013; Malejka & Bröder, 2016; 2019; Starns et al., 2020).


Quellengedächtnis

Beim Quellengedächtnis handelt es sich um die Erinnerung an die Quelle, aus der wir eine Information gelernt haben, oder an Kontextmerkmale, die während des Lernens präsent waren. Einerseits stellt sich auch hier das Problem, echte Gedächtnisprozesse von Urteilsprozessen zu separieren (Bröder & Meiser, 2007; Meiser & Bröder, 2002; Vogt & Bröder, 2007), auf der anderen Seite sind es manchmal gerade die Urteils- und Rekonstruktions­prozesse, die etwas über die konstruktive Natur des Gedächtnisses verraten (z.B. Bröder, Noethen, Schütz & Bay, 2007). Gleichzeitig kann man das Quellengedächtnis nutzen, um Informationen darüber zu gewinnen, wie Information mit den Kontextmerkmalen repräsentiert ist (Arnold et al., 2020).

  • DFG-Projekte

    • DFG-Projekt „Episodisches Kontextgedächtnis: Prozesse des Erinnerns und des Vergessens“ (EpisKoP; Br 2130/2–1, Az. Br 2130/2–2, 36 Months, May 2002 – April 2005)
    • DFG-Projekt „Source memory measurement and recognition“ (SoMMeR; Br 2130/3–1, 24 Months)
    • DFG-Projekt „Kontinuierliche versus diskrete Modellierung von Rekognitions- und Quellengedächtnis“ (KoDiMo; BR 2130/7–1; 36 Months, Start Sept. 2011)
    • DFG-Projekt “Metamemory viewed though the judgment lens” (BR 2130/14–1, together with M. Undorf, Mannheim)
  • Literatur

    • Arnold, N. R., Heck, D. W., Bröder, A., Meiser, T., & Boywitt, C. D. (2019). Testing hypotheses about binding in context memory with a hierarchical multinomial modeling approach: A preregistered study. Experimental Psychology, 66(3), 239–251. https://doi.org/10.1027/1618-3169/a000442
    • Bröder, A., Kellen, D., Schütz, J. & Rohrmeier, C. (2013). Validating a two-high-threshold measurement model for confidence rating data in recognition. Memory, 21(8), 916–944.
    • Bröder, A. & Malejka, S. (2017). On a problematic procedure to manipulate response biases in recognition experiments: The case of 'implied' base rates. Memory, 25(6), 736–743.
    • Bröder, A., Noethen, D., Schütz, J. & Bay, P. (2007). Utilization of covariation knowledge in source monitoring: no evidence for implicit processes. Psychological Research, 71, 524–538.
    • Bröder, A. & Schütz, J. (2009). Recognition ROCs Are Curvilinear – or Are They? On Premature Arguments against the Two-High-Threshold Model of Recognition Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, & Cognition, 35, 587–606.
    • Bröder, A. & Undorf, M. (2019). Metamemory viewed through the judgment lens. Acta Psychologica, 197, 153–165.
    • Kellen, D., Klauer., K.-C. & Bröder, A. (2013). Recognition memory models and binary-response ROCs: A comparison by minimum description length. Psychonomic Bulletin & Review, 20(4), 693–719.
    • Malejka, S. & Bröder, A. (2019). Exploring the shape of signal-detection distributions in individual recognition ROC data. Journal of Memory and Language,104, 83–107.
    • Malejka, S. & Bröder, A. (2016). No source memory for unrecognized items when implicit feedback is avoided. Memory & Cognition, 44, 63–72.
    • Schütz, J. & Bröder, A. (2011). Signal detection and threshold models of source memory. Experimental Psychology, 58(4), 293–311.
    • Starns, J. J., Cataldo, A. M. , Rotello, C. M. et al. (in press). Assessing theoretical conclusions with blinded inference to investigate a potential inference crisis. Advances in Methods and Practices in Psychological Science. [contributing author]
    • Undorf, M., & Bröder, A. (in press). Cue Integration in Metamemory Judgments is Strategic. Quarterly Journal of Experimental Psychology.
    • Undorf, M., Söllner, A. & Bröder, A. (2018). Simultaneous utilization of multiple cues in judgments of learning. Memory & Cognition,46, 507–519.
    • Vogt, V. & Bröder, A. (2007). Independent retrieval of source dimensions: An extension of results by Starns and Hicks (2005) and a comment on the ACSIM measure. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, & Cognition, 33, 443–450